Was ist ADHS?

ADHS, kurz für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, ist eine der häufigsten neurobiologischen Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Sie besteht in vielen Fällen auch bis ins erwachsene Alter hinein. 

Die Kernsymptome von ADHS sind: 

  • mangelnde Aufmerksamkeit,
  • Impulsivität, 
  • und in vielen Fällen auch eine überdurchschnittliche Aktivität. 

Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Nebensymptome, die auftreten können. Dazu gehören beispielsweise:

  • Schwierigkeiten mit der Organisation wie die Erledigung von alltäglichen Aufgaben oder dem Einhalten von Terminen,
  • geringe Stress- und Frustrationstoleranz,
  • innere Unruhe,
  • depressive Stimmungseinbrüche
  • und viele mehr.

Diese Auffälligkeiten können in einem unterschiedlichen Maße ausgeprägt sein. Zudem leidet auch nicht jedes Kind, das unaufmerksam und unruhig ist, unter ADHS. Für eine Abklärung ist es wichtig, sich an Psycholog*innen oder Diagnostikzentren zu wenden, die Erfahrung mit ADHS haben. Wenn früh erkannt wird, was genau bei dem Kind los ist, können viele Probleme mit geeigneter therapeutischer Behandlung abgeschwächt und das Leben für alle Beteiligten erleichtert werden. Eine unerkannte ADHS kann sich dagegen fatal auf den weiteren Lebensweg des Kindes auswirken und die private sowie berufliche Erfüllung beeinträchtigen.

Wie viele sind von ADHS betroffen? 

In Deutschland sind laut des Bundesministeriums für Gesundheit etwa 2 bis 6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von ADHS betroffen. Bei Erwachsenen sind es laut dem Diagnostiksystem für psychische Störungen rund 2,5 - 4,5 %. 

Wie entsteht eine ADHS?

ADHS ist hochgradig vererbbar: Angehörige des ersten Grades (Mutter, Vater oder Kind) haben eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, gleichzeitig von einer ADHS betroffen zu sein. Damit ist eine genetische Veranlagung eine der Hauptgründe für das Vorliegen einer ADHS. Aber auch äußerliche Einflüsse spielen vermutlich eine Rolle. Dazu gehören beispielsweise Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, familiäre Instabilitäten und andere psychosoziale Einflüsse. Diese Faktoren können eine vorhandene ADHS noch verstärken.

Gibt es wirklich mehr Jungen mit ADHS als Mädchen?

Früher wurde angenommen, dass eher Jungen unter ADHS leiden, weswegen im Kindesalter 3 bis zu 4-mal mehr von ihnen diagnostiziert werden als Mädchen. Heute wird an diesem Ungleichgewicht gezweifelt. Die als typischen geltenden Symptome der ADHS wurden oftmals überwiegend anhand von männlichen Probanden untersucht und festgehalten: Hyperaktivität, Impulsivität und die Tendenz zu störendem Verhalten sind besonders sichtbar, was eher zu einer früheren Erkennung und Diagnose führt.

Mädchen mit ADHS neigen hingegen eher zu nach innen gekehrten Symptomen wie Tagträumen, Vergesslichkeit und innerer Unruhe. Ihre Symptome können als Schüchternheit oder Desinteresse missinterpretiert werden. Das führt dazu, dass Mädchen mit ADHS oft übersehen oder fälschlicherweise als weniger betroffen angesehen werden. Weibliche Betroffene sind aufgrund der Sozialisierung außerdem mehr als männliche bemüht, sich anzupassen, um nicht aufzufallen. Das ständige sogenannte “Maskieren” der ADHS-Symptome kann mit der Zeit zu Erschöpfungszuständen und impulsiven Ausbrüchen führen, was wiederum in Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen münden kann.

Dieses Forschungs- und Erkennungsdefizit bei weiblichen Betroffenen erfordert ein erhöhtes Bewusstsein für die weiteren Erscheinungen, die auf eine ADHS hinweisen können.

Sind Kinder mit ADHS faul?

Bei einer ADHS liegen Stoffwechselstörungen im Gehirn vor, die zu den oben genannten Symptomen führen. Während es anderen Kindern leichter fällt, die Aufmerksamkeit auf eine Sache zu lenken, erfordert es von einem Kind mit einer ADHS massive Anstrengungen, diese aufrechtzuerhalten. Auch die sogenannte “exekutive Dysfunktion” hindert sie daran, mit Aufgaben anzufangen und diese fertigzustellen. Das ist keine Faulheit, wie es von Erwachsenen oft interpretiert wird, sondern schlichtweg eine Störung des Gehirnstoffwechsels. Es sind Vorwürfe, die vermutlich alle Kinder mit einer ADHS zu hören bekommen: “Sei doch nicht so faul!”, “Stell dich doch nicht so an!” und “Das ist doch nicht so schwer, fang einfach an!”

Solche unbedachten Aussagen führen zu einer erheblichen Minderung des Selbstwertgefühls von Betroffenen und dem Gefühl, nicht “gut genug zu sein”. Ein idealer Nährboden für spätere psychische Erkrankungen!

💡 Daher ist es sehr wichtig, dass Eltern und weitere Bezugspersonen die Ursachen der ADHS und die damit verbundenen Funktionsstörungen im Gehirn verstehen und Empathie für die Probleme der Kinder entwickeln.

ADHS in der Schule

Für Schüler*innen mit ADHS ist die Schulumgebung besonders herausfordernd. Die Anforderungen an die Selbstorganisation, das stille Sitzen und die kontinuierliche Konzentration kollidieren mit den Kernsymptomen von ADHS. Folgen davon können sein:

  • Abfall von schulischen Leistungen,
  • einem geringen Selbstwertgefühl,
  • Konflikte mit Lehrkräften,
  • Schwierigkeiten beim Aufbau und Erhalt von Freundschaften.

Die positiven Seiten von ADHS

Bisher haben wir viel Negatives über ADHS berichtet. Wir möchten hier aber einen Perspektivenwechsel vorschlagen: Die meisten Probleme entstehen nicht unbedingt durch das ADHS selbst, sondern durch ein völlig ungeeignetes Umfeld, in denen sich neurodivergente Persönlichkeiten wie ADHS-Betroffene nicht entfalten können. Starre, autoritäre Strukturen und eine strafende Kommunikation geben ihnen das Gefühl, ungenügend und unnütz für die Gemeinschaft zu sein. Dabei ist genau diese Vielfalt von Persönlichkeiten wichtig für eine diverse Gesellschaft. 

💡 Was ist Neurodiversität? Neurodiversität ist ein noch recht junger Begriff, der verdeutlichen soll, dass neurobiologische Unterschiede zwischen Menschen eine vollkommen normale Erscheinung sind. Die Unterschiede sollen nach diesem Konzept nicht unbedingt als Defizite oder Krankheiten betrachtet werden, sondern als natürliche Variationen der menschlichen Erfahrung und damit zu einer höheren Akzeptanz von Menschen mit beispielsweise ADHS, Autismus, Legasthenie oder Dyskalkulie führen.

Menschen mit ADHS sind oft besonders kreativ, intuitiv, und haben die Fähigkeit, außerhalb der etablierten Denkmuster zu denken. Diese Stärken können in kreativen Berufen, bei Problemlösungsaufgaben und in dynamischen Arbeitsumgebungen besonders vorteilhaft sein. Wenn Kinder mit ADHS außerdem richtig begeistert von einer Tätigkeit sind, können sie sich stundenlang damit beschäftigen und hervorragende Leistungen erbringen. 

💡 Diese Fokussierung auf ein Spezialgebiet oder auf eine Tätigkeit, die Menschen mit ADHS begeistert, nennt man übrigens “Hyperfokus”. Dieser kann zur persönlichen Erfüllung beitragen, jedoch sollte das Selbstmanagement in solchen hoch konzentrierten Phasen erlernt werden: auf die eigenen Bedürfnisse achten, Pausen machen sowie ausreichend essen und trinken nicht vergessen!

Es ist wichtig, betroffene Kinder auch diese positiven Seiten der Diagnose mitzugeben. In der späteren Entwicklung sollten sie darin bestärkt werden, sich das Leben so zu gestalten, dass diese Stärken optimal ausgelebt werden können.

Was tun bei Verdacht auf ADHS?

Solltest du bei deinem Kind Auffälligkeiten feststellen, die zu sozialen oder schulischen Problemen führen, ist ein Gang zum Kinder- oder Jugendpsychologen sinnvoll. Im Internet findest du außerdem Beratungsstellen, wenn du dir über die ersten Schritte unsicher bist. Sollte es zu einer Diagnose kommen, kommen einige Formen der Behandlung infrage: medikamentöse Therapien, Verhaltenstherapie und das Erlernen von individuellen Lernstrategien.

Ziel der Behandlungen sollten sein:

  • die Selbstregulierungsfähigkeiten zu verbessern,
  • ein unterstützendes Lernumfeld zu schaffen,
  • die Freude am Lernen zurückzuholen.

10 Tipps zum Vokabeln lernen mit ADHS

1. Macht lieber kurze Einheiten, als lange Lernmarathons

Nutzt die Neigung zu kurzen Aufmerksamkeitsspannen zu eurem Vorteil, indem die Lerneinheiten auf 10-15 Minuten begrenzt werden. Kurze, intensive Lernblöcke mit dazwischen liegenden Pausen können die Effektivität erhöhen. 

🍅 Bonus-Tipp: Pomodoro-Technik: Die Pomodoro-Technik ist eine Zeitmanagement-Methode, bei der 25 Minuten lang konzentriert an einer Aufgabe gearbeitet wird, gefolgt von einer 5-minütigen Pause. Nach vier solchen Arbeitsphasen wird eine längere Pause von 15 bis 30 Minuten eingelegt. Pomodoro ist übrigens italienisch und bedeutet “Tomate”: Der Erfinder dieser Technik hat nämlich zur Zeitmessung einen Küchenwecker genutzt, der die Form einer Tomate hatte. Probiert diese Technik doch mal aus - ihr findet dazu auch passende Apps in den App-Stores. 

2. Probiert Lern-Apps aus

Digitale Lernhilfen wie Apps und Online-Plattformen, die spielerische Elemente und Belohnungssysteme enthalten, können das Lernen von Vokabeln für Kinder mit ADHS attraktiver machen.

💡 Bonus-Tipp: Viele Lerntherapeut*innen empfehlen die cabuu-App als Vokabeltrainer für Kinder mit Förderbedarf. Lies hier mehr darüber, wieso.

3. Lernt mit Bildern

Der Einsatz von Farben, Bildern und Mind-Maps hilft dabei, die Vokabeln im Gedächtnis zu verankern. Visuelle Reize verbessern die Erinnerung an Wörter und deren Bedeutungen. Diesen Vorteil könnt ihr so nutzen, dass ihr euch beim Lernen die Vokabel ganz bildlich vorstellt oder eine Skizze auf der Karteikarte oder im Vokabelheft macht. Bei vielen Apps (wie bei unserer cabuu-App) gibt’s außerdem passende Grafiken oder Animationen zu jeder Vokabel.

4. Bewegt euch beim Lernen

Bewegung verbessert die Konzentration und baut Stress ab. Vokabeln lernen während des Gehens, Hüpfens oder mit anderen leichten Bewegungsübungen kann die Aufnahme des Lernstoffs fördern. Versucht auch, in den Lernpausen kleine Aktivitäten einzubauen.

💡 Wusstest du das schon? Gesten und Bewegung sind sehr gut erforschte Hilfsmittel beim Vokabeln lernen. Erfahre hier mehr darüber!

5. Lernt mit Plan und Routine

Ein fester Lernplan hilft, den Tag zu strukturieren und macht das Lernen vorhersehbar. Es reduziert die Angst vor dem Unbekannten und fördert die Konzentration. Größere Aufgaben könnt ihr in kleine Zwischenschritte unterteilen, damit sie überschaubarer und nicht mehr so überwältigend wirken.

6. Belohnt euch

Kleine Belohnungen nach erreichten Zielen steigern die Motivation. Das kann so einfach sein wie eine kurze Pause, ein Snack oder eine kleine Aktivität, die dem Kind gefällt.

7. Probiert es mal mit Musik

Für manche Kinder können eine leise Hintergrundmusik oder Umgebungsgeräusche hilfreich sein, um eine beruhigende Lernatmosphäre zu schaffen. Suche dazu einfach mal online nach Playlisten für ADHS und testet es einfach mal!

8. Aufgeräumt lernt es sich besser

Eine ruhige, aufgeräumte Lernumgebung frei von Ablenkungen ist wichtig, um die Konzentration zu fördern. Kleine Boxen oder Behälter auf dem Schreibtisch helfen dabei, Platz für herumliegende Utensilien zu schaffen.

9. Sprecht miteinander

Die regelmäßige Überprüfung des eigenen Fortschritts und eine Anpassung der Lernstrategien hilft euch, den Lernprozess effektiver zu gestalten. Spreche dabei regelmäßig mit deinem Kind, was ihm gefällt und welche Möglichkeiten ihr noch ausprobieren könnt.

10. Bleibt positiv und gelassen, auch bei Durchhängern

Lob und Anerkennung für die Anstrengung und nicht nur für die Ergebnisse stärken das Selbstwertgefühl deines Kindes und halten die Motivation aufrecht. Sollte es an manchen Tagen mal nicht so gut laufen, passt die Lernstrategie an, indem ihr mehr Pausen macht oder schwierigere Aufgaben verschiebt, wenn möglich. Bei dauerhafter Frustration könnte es sonst zu einer Lernblockade kommen, die euch noch mehr zurückwirft, als es die kleinen Pausen tun.

Bonus-Tipp Lerntherapie: Eine Lerntherapie hilft dabei, den Kindern spezielle Techniken und Strategien beizubringen, um ihre Konzentration und Selbstkontrolle zu verbessern. Zudem bringt es auch Entlastung für Eltern und Angehörige. Geschulte Lerntherapeut*innen helfen außerdem dabei, die Kommunikation mit Lehrkräften zu verbessern und die Bedürfnisse des Kindes durchzusetzen. 

Vokabeln lernen mit ADHS ist eine Herausforderung, aber mit passenden Strategien und Unterstützungen können Kinder und Jugendliche erfolgreich in der Schule und zufrieden im Privatleben werden. Die Kombination aus strukturierten Routinen, visuellen Hilfsmitteln, interaktiven Techniken und der Integration von Bewegung hilft euch dabei, den Lernprozess erheblich zu erleichtern. Wichtig ist, den Fokus auf die Stärken und individuellen Fähigkeiten jedes Kindes zu legen und eine positive, unterstützende Lernumgebung zu schaffen. 

💡 Findest du das Thema interessant? Dann lies hier noch mehr über das Thema Förderbedarf bei Kindern.